Frühfunktionelles Training
Je früher die Therapie ansetzt, umso besser die Heilungschancen.
Das Frühfunktionelle Training umfasst Funktionelles Training mit all seinen Merkmalen, aber eben in frühzeitiger Anwendung – direkt nach einem Trauma, einer Verletzung oder einer Operation. Warum frühzeitig erste funktionelle Übungen? Wir nutzen dadurch die von der Natur eingerichteten Wundheilungsphasen von Geweben, um eine optimale Heilung zu erzielen. Das frühfunktionelle Training orientiert sich an diesen Phasen der Gewebsheilung. Erkrankte und verletzte Gewebe werden so schnell wie möglich wieder funktionell bewegt und belastet. Das ist der Schlüssel für eine rasche – und vor allem – erfolgreiche Rehabilitation. So kann der Patient schnell und stabil wieder in seinen Alltag zurück bzw. seinen Sport ausüben.
Das Prinzip: der richtige Trainingsreiz zum richtigen Zeitpunkt.
Das ist unerlässlich für eine optimal funktionstüchtige und stabile Ausbildung und Ausrichtung des neu entstehenden Gewebes. Aber: Der richtige Zeitpunkt für den Beginn des Trainings ist viel früher als viele Patienten denken. Und es ist ein begrenzter Zeitraum. Das heißt: Er beginnt bereits ca. 3 Tage nach der Verletzung bzw. dem Trauma und endet schon 6 Wochen danach. Die ersten 6 Wochen müssen voll genutzt werden, damit wir die biochemischen Prozesse, die in den Wundheilungsphasen ablaufen, perfekt unterstützen können. In diesem Zeitraum müssen sämtliche alltags- und sportspezifischen Belastungen funktionell trainiert werden. Das Prinzip: im richtigen Moment die richtige Übungsauswahl, in der richtigen Intensität. Dabei gehen wir immer progressiv vor – es wird gefordert, aber nicht überfordert. Das Frühfunktionelle Training legt in dieser Zeit den Grundstein für ein belastungsfähiges, stabiles und beschwerdefreies neues Gewebe. Nach etwa diesen 6 Wochen soll der Patient sich wieder – seinem individuellen Alltag und Sport entsprechend – sicher voll bewegen und belasten können. Es erfolgt dann lediglich noch weitere Optimierung und Konsolidierung. Oft wird dieser richtige Zeitpunkt aber verpasst. Jedes Training, das erst nach diesem Zeitraum von 6 Wochen beginnt, kann so zur vergeblichen Mühe werden.
Warum sind die ersten 6 Wochen so entscheidend?
Die biochemischen Prozesse in den Wundheilungsphasen sorgen dafür, DASS sich überhaupt neues Gewebe bildet. Aber WIE es sich ausbildet – welche Struktur es erhält und welche Festigkeit und Elastizität es damit bekommt – ist abhängig vom Training, von den Reizen und Belastungen in der Zeit seiner Neubildung. Für dieses „WIE“ sind also wir Physiotherapeut/-innen mit unserem Training und der festgelegten Belastung verantwortlich. Bieten wir dem sich neu bildenden Gewebe keinerlei Belastung in den 6 Wochen nach der Verletzung, richtet es sich während seiner Ausbildung auch nicht so aus, dass es später belastungsstabil ist. Geben wir dem sich bildenden Gewebe eine Belastung, welche aber nicht an die spätere tatsächliche Belastung angepasst ist, wird das Gewebe später auch nicht dieser Belastung gewachsen sein.
Die Funktion formt das Organ.
Nur, wenn wir beim Training die Belastungen imitieren, die später genau den Belastungen im Alltag bzw. Sport entsprechen, wird das neue Gewebe auch seine Funktion erfüllen können.
Die Wundheilungsphasen allein machen das Gewebe nicht stabil, das Training außerhalb dieser Phasen bringt nur sehr, sehr langsame Fortschritte. Ausschließlich das Training in diesen Phasen, also das Zusammenspiel von Gewebebildung und adäquater Belastung, führt zu einem voll funktionsfähigem und stabilem neuen Gewebe. Und damit zu einer optimalen Wiederherstellung von Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit.
Aktive Therapie statt unnötiger Schonung.
Viel zu häufig wird nach einer OP oder einem Trauma immer noch die ersten 4 bis 6 Wochen erst einmal immobilisiert (ruhig gestellt) und entlastet. Danach wird langsam mit Training begonnen, noch immer ohne Vollbelastung und ohne reelle Reize aus dem Alltag. Aus biochemischen Gesichtspunkten bringt eine zu lange Immobilisations- und Entlastungszeit eine übermäßig lange Reha-Phase mit sich. Sie kann Monate und auch Jahre dauern – mit vielen Beschwerden, Komplikationen und erneuten Verletzungen. Ein verpasstes Frühfunktionelles Training ist oft der Grund dafür, dass Beschwerden chronisch werden – also immer wieder auftreten. Im Leistungssport wird deshalb die Vorgehensweise der frühen aktiven Therapie schon seit vielen Jahren praktiziert. Ulrike Kahl hat diese Methode unter anderem bei den Fußball-Profis von Werder Bremen erfolgreich angewendet.
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