Frühfunktionelles Training - Fortsetzung
Ablauf des Frühfunktionellen Trainings:
1. Exsudationsphase (Entzündungsphase)
Dauert 24 bis 48 Stunden. Sie zeichnet sich durch das Vorhandensein von Entzündungszeichen wie Wärme, Rötung, Schwellung, Schmerz und Bewegungseinschränkung aus. Der Entzündungsprozess hat einen wichtigen positiven Einfluss auf den Wundheilungsprozess. Er soll vorhanden sein. Das Immunsystem wird dadurch aktiviert, die Wundheilung und Gewebeneubildung wird in Gang gebracht. Nach Möglichkeit sollte die Entzündung nicht medikamentös und physikalisch "unterdrückt" werden. Entlastung ist hier das oberste Gebot.
2. Proliferationsphase (Aufbauphase)
Dauert vom 3. Tag bis ca. zum 21. bis 28. Tag. Es entsteht neues Gewebe. Die Proliferationsphase wird unterteilt in die akute und subakute Phase:
Akute Phase
Dauert vom 3. Tag bis ca. zum 16./ 21. Tag. Es entsteht Gewebe vom Kollagen Typ III / IV, das ist ein sehr weiches Bindegewebe, mit einem durcheinander angeordneten, nicht stabilen Faserbild. Bereits ab dem 3. Tag wird dieses Gewebe gezielt in Funktion bewegt und belastet – damit sich das Faserbild so ausrichtet, dass es bei Belastung in Alltag und Sport wieder in der Lage ist, zu stabilisieren und dabei auch elastisch ist. Wir gehen dabei progressiv vor, das heißt, sobald eine Übung sicher beherrscht wird, wird sofort gesteigert, z. B. durch eine Verkleinerung der Unterstützungsfläche, mehr Asymmetrie und Dreidimensionalität, mehr sensorische Reize, größere Komplexität der Übung, Miteinbeziehung der Gravitation, mehr Körpergewicht usw. Keine Anwendung gelenkferner Hebel und anderer Scherkräfte. Es sollte so viel wie möglich funktionell trainiert werden, aber natürlich immer unter Beachtung der Anzeichen für Überlastung. Der Patient wird nie überfordert, aber auch nie unterfordert. Dafür sorgt die ständige individuelle Betreuung durch eine erfahrene Therapeutin.
Subakute Phase
Dauert vom 16./21. Tag bis ca. zum. 21./28.Tag. Es erfolgt die Umwandlung des inzwischen durch Training funktionell ausgerichteten, aber immer noch sehr weichen Bindegewebes Kollagen Typ III / IV hin zu Kollagen Typ I – das ist ein sehr festes Bindegewebe. Dabei wird weiter progressiv funktionell trainiert. Aber: ohne gelenkferne Hebel - damit keine Scherkräfte auf das Gelenk wirken. Scherkräfte machen die noch weichen Kollagenfasern Typ III und IV wieder kaputt, bevor sie sich in stabile Typ I Fasern umwandeln können. Das würde zur Chronifizierung führen.
Warum Scherkräfte zu Verletzungen führen können.
Scherkraft bewirkt, dass Gelenkflächen in einem unphysiologischen Ausmaß parallel gegeneinander verschoben werden, sie werden versetzt. Dies kann Verletzungen von Gelenkstrukturen, wie Knorpel, Menisci, Bänder und Sehnen nach sich ziehen.
Scherkräfte treten auf bei Anwendung gelenkferner Hebel beim Training. Klassisches Beispiel: Die Beincurl Maschine zum Training des M.quadrizeps (Streckung des Unterschenkels gegen Widerstand). Der Widerstand (die Rolle mit dem Gewicht) liegt am vorderen, unteren Ende des Unterschenkels (fast am Sprunggelenk), also weit entfernt vom Kniegelenk auf. Der ganze Unterschenkel wirkt als Hebel, das aufgelegte Gewicht potenziert sich - es kommt weniger zu einer natürlichen Roll-Gleit-Bewegung im Gelenk, sondern zu einer unnatürlichen Scherbewegung im Knie.
Scherkräfte wirken auch dann, wenn es zu einer unkontrollierten Bewegung eines Gelenkpartners bei völliger Fixation des anderen Gelenkpartners kommt. Typisches Beispiel: Man steht fest mit einem Bein auf dem Boden, das gesamte Körpergewicht liegt auf diesem Bein und man dreht sich auf diesem feststehenden Bein um. Die Drehung findet im Kniegelenk statt – in einem extremen Ausmaß – und kann so z. B. zur Verletzung der Kreuzbänder führen.
3. Remodulationsphase
Dauert vom 21./28. Tag bis ca. 6 Wochen nach der Verletzung. Hier geht es jetzt um die Feinarbeit und Konsolidierung. Das Faserbild soll stabilisiert werden. Zu diesem Zweck wird die volle Funktion trainiert. Weiter ohne Scherkräfte.
Nach Frakturen gilt: Knochengewebe brauchen etwa 6 Wochen bis zur knöchernen Durchbauung, sie brauchen aber genauso auch Belastung für die Heilung. Das heißt: 6 Wochen lang Frühfunktionelles Training, nur mit geringerer Belastung, danach vollbelastetes Training möglich.
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